Schneewittchen, Dornröschen und Aschenputtel – diese Märchen kennen fast alle. Doch warum sind manche Märchen so bekannt? Wir verraten euch, welche Märchen ihr auf jeden Fall kennen solltet. Und ein paar spannende Tipps für unbekannte Märchen haben wir auch.
Bekannte Märchen: Apfel, Schuh und Lebkuchenhaus
Die böse Hexe im Lebkuchenhaus? Ganz klar „Hänsel und Gretel“. Der vergiftete Apfel? Das Symbol aus „Schneewittchen“. Der gläserne Schuh? Gehört eindeutig zu „Aschenputtel“. Es gibt einige Märchen, die sind so bekannt, dass sie fast jedem und jeder ein Begriff sind. Doch warum sind manche Märchen bekannter als andere? Und was sind die bekanntesten Märchen? Das alles haben wir euch hier zusammengestellt.
Warum sind manche Märchen bekannter als andere?
Dass manche Märchen so viel bekannter sind als andere, hat verschiedene Gründe. Sowohl die kulturelle Verbreitung als auch die inhaltliche Struktur und die mediengeschichtliche Entwicklung spielen dabei eine Rolle. Und auch die Popkultur hat bis heute einen wichtigen Einfluss darauf, warum zum Beispiel „Aschenputtel“ sehr populär, die charakterlich eigentlich aber viel interessantere „Allerleirauh“ ein Dasein in Cinderellas Schatten führen muss.
Zeitlose Themen
Dass Märchen trotz überholter Rollenbilder bis heute erzählt und vorgelesen und in Hinblick auf Aspekte wie das Frauenbild oder mangelnde Diversität diskutiert werden, liegt daran, dass Märchen nicht nur oberflächlich oder eingebettet in ihren zeitgeschichtlichen Kontext funktionieren, sondern Themen behandeln, die so universell und menschlich sind, dass sie bis heute Gültigkeit besitzen.
In Märchen wie „Schneewittchen„, „Hänsel und Gretel“ oder „Aschenputtel“ geht es um Neid, Familie, Angst, Mobbing und Gerechtigkeit. Das sind zeitlose Themen, die für uns heute noch genauso relevant sind wie für die Menschen vor hundert, zweihundert oder tausend Jahren.
Kulturelle Verbreitung
Natürlich finden wir diese Themen nicht nur in bekannten Märchen. Sie sind Teil eines jeden Märchens. Ebenso sind Märchen leicht verständlich und emotional zugänglich. Sie können leicht weitererzählt werden.
Diese Punkte führen dazu, dass viele Motive bekannter Märchen weltweit verbreitet sind. Varianten von Schneewittchen oder Aschenputtel finden sich in zahlreichen Ländern, eben weil es ihr universeller Charakter ist, der uns Menschen auf der ganzen Welt verbindet.
Literarische Verbreitung
Die Brüder Grimm haben viele dieser Märchen gesammelt, allerdings nicht, wie ursprünglich geplant, indem sie durch das Land gezogen sind und sich die Märchen von den „einfachen Leuten” haben erzählen lassen. Mit Dorothea Viehmann, Dortchen Wild sowie Jenny und Annette von Droste-Hülshoff waren ihre Quellen größtenteils weiblich, stammten überwiegend aus gut bürgerlichem Hause und hatten französische Verwandte.
Darüber hinaus haben die Grimms die Märchen überarbeitet. Nachdem die erste Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen 1812 floppte, überarbeitete Jacob Grimm die Märchen und passte sie an den Zeitgeist des Biedermeier an. Politische oder gesellschaftskritische Einflüsse verschwanden, ebenso Stellen, die als zu grausam empfunden wurden. Die Kinder- und Hausmärchen sollten in die konservativ-idyllische Welt des biedermeierlichen Publikums passen und wurde erst jetzt auf die Zielgruppe Kinder zugeschnitten. Der Erfolg, der daraufhin einsetzte, machte Märchen populär und sorgte dafür, dass Märchen bis heute zuallererst mit den Grimms in Verbindung gebracht werden, auch wenn ihre Märchen viel älter und zum Teil bereits bei anderen Autoren und Autorinnen zu finden sind.
Wiedererkennungswert
Dennoch sind nicht alle Märchen der Grimms gleichsam populär. Bekannte Grimm-Märchen wie „Schneewittchen“, „Dornröschen“ oder „Hänsel und Gretel“ sind nicht übermäßig brutal, anders als etwa „Fitchers Vogel“ oder „Von dem Wacholderbaum“. Das macht sie für die Allgemeinheit zugänglicher.
Darüber hinaus bieten sie starke Symbole mit hohem Wiedererkennungswert, etwa den roten Apfel, den gläsernen Schuh oder das Lebkuchenhaus. Das macht sie erinnerungswürdig, einmal mehr, weil derart starke Symbole dazu einladen, eigene Assoziationen und Gefühle damit zu verknüpfen. Auch sprachlich sind sie sehr eingängig gestaltet und haben mit Reimen und Sprüchen wie “Spieglein, Spieglein an der Wand” oder “Knusper knusper Knäuschen”, ebenso originelle wie einzigartige Bestandteile, die schnell im Gedächtnis bleiben.
Mediale Verbreitung
Auch die Popkultur hat dazu beigetragen, dass bestimmte Märchen so bekannt sind. Einen sehr großen Einfluss hat hier vor allem Walt Disney mit seinen Adaptionen von Dornröschen, Schneewittchen oder Rapunzel. Aber auch in der Musik oder der Literatur sind Figuren wie Schneewittchen oder das Aschenputtel-Motiv weit verbreitet, eben weil sie so eingängig sind. Ihre hohe Symbolkraft ermöglicht außerdem verschiedene Darstellungen und Interpretationen.
Wandelbarkeit
Das ist eine weitere Stärke von Märchen: ihre Wandelbarkeit. Sie müssen nicht eins zu eins nacherzählt werden, sondern ermöglichen Anpassungen, Umdeutungen und Modernisierungen. So können sie immer neu erzählt werden. Und hier setzen sich die Märchen mit dem höchsten Wiedererkennungswert durch.
Bekannte Märchen: Vorallem Grimm und Andersen
Das sind einige Gedanken dazu, warum manche Märchen bekannter sind als andere. Werfen wir jetzt aber einen Blick auf die bekanntesten Märchen der bekanntesten Märchenautoren.
Bekannte Märchen der Brüder Grimm
Sie stehen für Märchen wie keine anderen: Jacob und Wilhelm Grimm. Durch ihre Arbeit sind Märchen bis heute so bekannt, die meisten kennen die folgenden Märchen:
- „Schneewittchen“
- „Dornröschen“
- „Aschenputtel“
- „Hänsel und Gretel“
- „Rotkäppchen“
- „Rumpelstilzchen“
- „Frau Holle“
- „Der Froschkönig“
- „Sterntaler“
- „Vom Fischer und seiner Frau“
All das sind Märchen mit hohem Wiedererkennungswert. Die Hauptfiguren tragen Namen oder weisen besondere, unverwechselbare Merkmale auf, etwa Schneewittchen mit ihrer Haut so weiß wie Schnee und dem Haar so schwarz wie Ebenholz. Auch Rotkäppchen steht in engem Zusammenhang mit einer Signal- und Warnfarbe und jedes dieser Märchen beinhaltet starke Symbole: der rote Apfel, die Spindel, der gläserne Schuh, das Lebkuchenhaus, die Kammer voll Stroh, die Kissen, aus denen es schneit, die goldene Kugel, die Sterne, die vom Himmel fallen und der sprechende Fisch.
An all diese Elemente kann man sich leicht erinnern, wir als Publikum können die Symbole mit eigenen Inhalten füllen und ihnen eine Bedeutung geben.
Bekannte Märchen von Hans Christian Andersen
Wenn wir über H.C. Andersen reden, bewegen wir uns nicht mehr im Bereich der Volks-, sondern im Bereich der Kunstmärchen. Anders als die mündlich überlieferten Volksmärchen haben sie einen Autor oder eine Autorin. Auch wenn sie häufig Stil, Themen und Elemente der Volksmärchen aufgreifen, sind sie in ihrer Erzählform weniger eindimensional und benutzen keine Stereotypen in Ort, Zeit und Personen.
Typische Stilmittel in den Märchen von Hans Christian Andersen sind sein nachdenklich-melancholischer Stil sowie seine scharfe Ironie und Gesellschaftskritik. Zu den bekanntesten Andersen-Märchen gehören:
- „Die kleine Meerjungfrau“
- „Die Prinzessin auf der Erbse“
- Das hässliche Entlein
- Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
Anders als bei den Grimms sind Handlung und Figuren hier viel stärker ausgearbeitet, es gibt nicht diesen starken Kontrast zwischen Gut und Böse, sondern auch Grau- und Zwischentöne. Kunstmärchen sind weniger eindimensional und gerade Andersen gelingt es mit seinen Märchen, seine Leserschaft zum Nachdenken anzuregen. Auch er benutzt starke Bilder, die aber nicht nur einen starken Symbolgehalt haben, sondern vor allem emotional aufgeladen sind. Andersens Geschichten berühren und stimmen nachdenklich oder traurig.
Weitere bekannte Märchen
Die Grimms und Andersen sind bei Weitem nicht die einzigen Sammler und Verfasser von Märchen. Aber ihre Märchen gehören zweifelsfrei zu den bekanntesten. Autoren wie Ludwig Bechstein oder Charles Perrault stehen in ihrem Schatten, auch weil die Grimm-Fassungen der Märchen oft viel populärer sind, denken wir zum Beispiel an Dornröschen oder Rotkäppchen. Die bekannten Fassungen sind die der Grimms, obwohl Perraults Varianten deutlich vielschichtiger sind.
Hier einige weitere bekannte Märchen verschiedener Autoren und Autorinnen:
- „Die Schöne und das Tier“ von Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve, später von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont bearbeitet.
- „Aladin und die Wunderlampe“ aus Tausendundeine Nacht, auch wenn das Werk ursprünglich wohl nicht zu diesem Märchenzyklus gehörte
- „Ali Baba und die vierzig Räuber“, ebenfalls Tausendundeine Nacht
- „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff
Diese fünf Märchen sind total unbekannt
Jetzt haben wir so viel über bekannte Märchen gesprochen, dass wir am Ende auch noch mal die unbekannteren Geschichten würdigen möchten. Märchen gibt es so viele, dass es immer was Neues zu entdecken gibt. Das gilt nicht nur für den deutschen oder europäischen Raum. Auch Märchen aus anderen Ländern und Kulturkreisen sind es wert, erzählt und gelesen zu werden. Sie verdienen eigentlich viel mehr Aufmerksamkeit, weil sie nicht nur kulturelle Besonderheiten aufzeigen, sondern uns vor Augen führen, dass wir Menschen im Grunde alle gleich sind. Märchen zeigen nicht, was uns trennt, sondern was uns verbindet. Dieser Aspekt kommt leider in der Auseinandersetzung mit Märchen viel zu kurz.
In unserem Podcast Märchenpott versuchen wir, die Vielfalt der Märchenwelt abzubilden und vor allem die unbekannten, überraschenden und unerwarteten Aspekte herauszuarbeiten. Dabei möchten wir auch den unbekannteren Märchen Raum geben. Hier also unsere fünf unbekannten Märchen, die sich wirklich zu hören lohnen:
- „Sünde und Gnade“, ein Gruselmärchen
- „Der Mädchen-Knabe“, ein albanisches Volksmärchen
- „Die Geschichte des Jahres“, ein Märchen von H.C. Andersen
- „Der Küster von Mörkaa“, ein isländisches Märchen
- „Das Schloss der Rosen“, ein mallorquinisches Volksmärchen
Wenn ihr euch für Märchen, Literatur und ihre Geschichte interessiert, dann hört gerne in unseren Podcast Märchenpott rein. Den gibt es überall, wo es Podcasts gibt. Und auf Instagram und Tiktok findet ihr uns natürlich auch.