Kurz und knackig: Junges Deutschland ist die kürzeste Strömung der deutschen Literaturgeschichte. Warum sie nach nur fünf Jahren ein Ende fand, ihre Ideen aber weiterlebten, erfahrt ihr hier.
Junges Deutschland: ein literarischer Protest
Jung und unpolitisch – dieses Vorurteil mussten sich schon viele Generationen anhören. Seit der Fridays for Future-Bewegung ist damit Schluss. Und auch ein Blick in die Geschichte zeigt: Es gab einige Generationen, die gegen Politik und gesellschaftliche Missstände auf die Straße gegangen sind. Besonders aktiv war die Protestbewegung Junges Deutschland, eine literarische Strömung des 19. Jahrhunderts. Warum eine Literaturepoche selten so politisch war, wogegen sie demonstrierte und wie sich das in der Literatur äußerte, erklären wir hier.
Die Freiheit der Meinung setzt voraus, dass man eine hat.
Heinrich Heine
Definition: Das ist Junges Deutschland
Unter die Bezeichnung “Junges Deutschland” fällt eine literarische Bewegung zur Zeit des Vormärz (1815–1848). Gemeinsam mit Vormärz und Biedermeier bildete Junges Deutschland die Literatur der Restaurationsepoche (1815–1848). Sie umfasst mit einer Zeitspanne von 1830 bis 1835 nur einen kurzen Zeitraum, war dafür aber sehr ambitioniert und aktiv. Junges Deutschland war ein Zusammenschluss junger, liberal gesinnter Autoren und Autorinnen, die die gesellschaftlichen und sozialen Missstände sowie die Politik ihrer Zeit anprangerten und ihre Unzufriedenheit in politischen Protesten zum Ausdruck brachten. Aufgrund ihrer Forderungen nach einer neuen demokratischen Ordnung wurde die Bewegung verboten. Ihre Ideen wurden von einem zunehmend radikaler werdenden Vormärz weitergetragen.
Während viele andere Epochen ihren Namen erst im Nachhinein erhielten, wählten die Vertreterinnen und Vertreter des Jungen Deutschland ihre Bezeichnung selbst in der Hoffnung, dass die freiheitlichen Ideen einer jungen Generation die rückständigen Zustände der Restaurationszeit überwinden würden.
Zeitgeschichtlicher Kontext
Um die Bestrebungen des Jungen Deutschlands sowie den zeitgeschichtlichen Kontext der Restaurationsepoche zu verstehen, ist ein Blick auf den Ausgangspunkt dieser Entwicklungen notwendig. Dieser liegt in der Aufklärung mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Toleranz sowie den politischen Unruhen und Kriegen, die aus ihren revolutionären Bestrebungen hervorgegangen sind.
1792–815: Die Koalitionskriege
Beginnend mit der Französischen Revolution, die eine soziale und politische Umwälzung in Frankreich und ganz Europa hervorrief, bis hin zur endgültigen Niederlage von Napoleon bei Waterloo, waren die Koalitionskriege von 1792 bis 1815 eine direkte Reaktion auf die revolutionären Veränderungen und die wachsende Macht Napoleons.
Sie gipfelten in den letzten vier der sieben Koalitionskriege, die als Napoleonische Kriege bezeichnet werden, und durch Napoleons Streben nach Macht und territorialer Expansion gekennzeichnet sind. Dem wurde ein Ende gesetzt, als Napoleon endgültig in Waterloo geschlagen wurde.
1814/15: Der Wiener Kongress
Die Französische Revolution und ihre Folgen hatten ganz Europa erschüttert, die Grenzen innerhalb Europas hatten sich verschoben. Der Wiener Kongress wollte eine neue europäische Friedensordnung schaffen – indem die alten Machtverhältnisse von vor der Französischen Revolution wiederhergestellt wurden. Dabei stützen sich die Verhandlungsführer auf die fünf Grundsätze Restauration, Legitimität, Solidarität, Kompensation und Mächtegleichgewicht.
Grundsatz | Bedeutung |
Restauration | Wiederherstellung der vornapoleonischen politischen und gesellschaftlichen Ordnung in Europa |
Legitimität | Bekräftigung des von Gott gegebenen Herrschaftsanspruchs des Adels |
Kompensation | Entschädigung der Fürstenhäuser für Gebietsverluste durch Napoleon |
Solidarität | Verpflichtung, jeder neuen Revolution auf dem Kontinent gemeinsam entgegenzutreten und revolutionären Bewegungen mit einer aufeinander abgestimmten Politik vorzubeugen |
Gleichgewicht | Die fünf europäischen Großmächte verpflichteten sich, die neue europäische Friedensordnung zu garantieren und zu bewahren. |
Diese Beschlüsse sicherten für rund 40 Jahre den Frieden. Jedoch ließen sie die Forderungen des Volkes außer Acht und machten die Ideen der Aufklärung zunichte. Dies führte dazu, dass die Situation angespannt blieb und es immer wieder zu Protesten kam.
1819: Die Karlsbader Beschlüsse
Vor allem die junge Generation forderte einen einheitlichen deutschen Nationalstaat sowie mehr Demokratie und Mitspracherecht. Beim Wartburgfest im Jahr 1817 versammelten sich rund 500 Studenten, um gegen die Politik zu demonstrieren. Als Reaktion folgten 1819 die Karlsbader Beschlüsse, die zur Zensur von Büchern und Zeitschriften und zur Überwachung der Universitäten führten. Burschenschaften wurden verboten und wer eine andere Meinung als die Herrschenden vertrat, wurde verhaftet und mit Berufsverbot bestraft.
1830: Pauperismus
Neben der politischen Unzufriedenheit musste sich die Gesellschaft noch einem weiteren Problem stellen: dem Pauperismus. Bedingt durch die Industrialisierung entwickelte sich mit Beginn der 1830er Jahre eine Massenarmut, die große Teile der Bevölkerung ins Elend stürzte. Armut und Hunger waren weit verbreitet, der geringe Produktivitätsanstieg in Landwirtschaft und Industrie konnte das enorme Bevölkerungswachstum nach 1815 nicht auffangen. Wiederkehrende Missernten, Hungersnöte und der Niedergang des Heimgewerbes förderten die Verarmung der unteren Gesellschaftsschichten. Viele Menschen waren trotz schwerster körperlicher Arbeit nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen.
Zeitgenossen beschrieben diese Zustände mit dem Begriff „Pauperismus“, der sich vom lateinischen Begriff “pauper” für „arm“ ableitet.
1832: Das Hambacher Fest
Die Unzufriedenheit über die gesellschaftlichen und politischen Missstände gipfelte 1832 im Hambacher Fest. 30.000 Menschen protestieren bei dieser Versammlung für einen einheitlichen deutschen Nationalstaat und mehr demokratische Rechte und Teilhabe. Die Protestanten und Protestantinnen konnten sich allerdings nicht durchsetzen. 1835 wurden die Werke des Jungen Deutschland verboten.
Merkmale des Jungen Deutschlands
Junges Deutschland war eine direkte Reaktion auf die politischen Begebenheiten seiner Zeit. Es war eine politische Protestbewegung – entsprechend politisch war auch seine Literatur. Ihr ging es nicht um Kunst und schöne Worte. Wie schon in der Epoche der Aufklärung war Literatur hier ein Instrument, um das politische System zu kritisieren.
Die Merkmale des Jungen Deutschland sind:
- Autorinnen und Autoren sind jung.
- Politisierung der Literatur
- Skepsis gegenüber der Politik
- Kritik an Ständegesellschaft und Fürstenherrschaft
- Liberalismus
Seine politische und liberale Ausrichtung führte dazu, dass die Bewegung 1835 vom Deutschen Bundestag mit einem Publikationsverbot belegt wurde. Man sah in den Schriften des Jungen Deutschland einen Angriff auf Zucht, Sittlichkeit und die christliche Religion sowie eine Herabwürdigung der sozialen Verhältnisse. Das Verbot war jedoch nur zum Teil erfolgreich, da der Vormärz sich radikalisierte und die Ideen des Jungen Deutschland weitertrug.
Unterschiede zu Vormärz und Biedermeier
Die Restaurationsepoche besteht aus drei literarischen Strömungen: Junges Deutschland, Vormärz und Biedermeier.
Biedermeier
So aktiv Junges Deutschland auch war: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung war unpolitisch. Im Gegensatz zur jungen Generation zog sich der Großteil ins Private zurück und wollte mit Politik nichts zu tun haben. Und so war der Biedermeier der dominierende Teil der Restaurationsepoche. Er zog es vor, sich in seine eigene kleine Welt zu flüchten und an einem konservativen Weltbild mit alten Werten festzuhalten. Das traditionelle Familienbild, ein gemütliches Heim und eine tiefe Frömmigkeit zählen daher zu den biedermeierlichen Idealen.
Vormärz
Wo der Biedermeier resignierte, weigerte sich der Vormärz, die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu akzeptieren. Er ist dem Jungen Deutschland somit sehr ähnlich. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass Junges Deutschland vor allem versuchte, die Zensur zu umgehen. Den großen politischen Umsturz forderte erst der Vormärz, der nach dem Verbot des Jungen Deutschland deutlich radikaler wurde. Auch deswegen gibt es Definitionen, die davon ausgehen, dass der eigentliche Vormärz erst begann, nachdem das Junge Deutschland verboten worden war.
Epoche | Zeitraum | Ausrichtung | Merkmale |
Junges Deutschland | 1830–1835 | politisch motiviert, aktiv und liberal | Forderungen nach Demokratie und Gleichberechtigung |
Vormärz | 1815–1848 | hochpolitisch | wollte den Umsturz des politischen Systems |
Biedermeier | 1815–1848 | unpolitisch und passiv | Rückzug ins Private, konservativ |
Die Literatur des Jungen Deutschland
Entsprechend ihrer Ausrichtung war auch die Literatur des Jungen Deutschland hochpolitisch. Geprägt von Forderungen nach Demokratie und Mitspracherecht war sie nicht nur ein starker Gegensatz zu den harmonischen Werken des Biedermeier. Sie richtete sich auch gegen die Werke der weltentrückten Romantik (1795–1835) und der nach Harmonie strebenden Weimarer Klassik (1786–1831). Den Autoren ud Autorinnen ging es darum, politische Missstände aufzuzeigen und die größtenteils desinteressierte Bevölkerung auf die politischen und gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen.
Das Junge Deutschland war dabei keine geschlossene Gruppe von Schriftstellern und Schriftstellerinnen, sondern über ihre politischen Vorstellungen und ihr liberales Denken verbunden.
Die Lyrik des Jungen Deutschland
Auch wenn es angesichts der stark politischen Ausrichtung überraschen mag, war die bevorzugte literarische Gattung von Junges Deutschland die Lyrik. Insbesondere literarische Kleinformen wie das Lied ermöglichten es den Autoren und Autorinnen, den Moment einzufangen und so auf die Lage im Land hinzuweisen.
An der Politisierung der Lyrik gab es allerdings auch Kritik. So bezeichnete etwa Heinrich Heine diese Werke als „gehaltlose Tendenzliteratur“, obwohl er selbst politische Lyrik im Sinne des Jungen Deutschland verfasste. So heißt es beispielsweise in Heines Deutschland. Ein Wintermärchen:
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Auch sein Weberlied von 1844, in dem es um den Weberaufstand in Schlesien geht, bei dem sich Arbeiter gegen Ausbeutung und Lohnverfall erhoben haben, ist ein Beispiel für Heines politische Lyrik. Auch wenn das Weberlied dem Vormärz zuzuordnen ist, zeigt es, wie der Vormärz die politischen Ideen des Jungen Deutschland aufgegriffen und weitergeführt hat.
Die Epik des Jungen Deutschland
In der literarischen Gattung der Epik war der Reisebericht die vorherrschende Textsorte. Der Grund dafür: In ihm ließen sich Eindrücke festhalten und die Realität abbilden. Vor allem Heinrich Heine verfasste zahlreiche Reiseberichte, in denen er die Umstände der Zeit schilderte und mit seiner ironischen, oft satirischen Sprache auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse verwies. Neben den Reiseberichten waren vor allem Novellen und Romane beliebt. Als bedeutendster Roman des Jungen Deutschland gilt Wally, die Zweiflerin (1835) von Karl Gutzkow. Er wurde als pornografisch und blasphemisch befunden und nicht nur verboten, sondern auch als Anlass dafür verwendet, Junges Deutschland zu verbieten. Gutzkow musste außerdem für drei Monate ins Gefängnis.
Je mehr die Unzufriedenheit mit der Politik wuchs, desto mehr verfassten die Literaten und Literatinnen außerdem Broschüren, Flugblätter und Pamphlete, in denen sich die Autoren und Autorinnen des Jungen Deutschland kritisch zu den politischen und sozialen Verhältnissen äußerten.
Die Dramatik des Jungen Deutschland
Auch in den dramatischen Texten steht die Zeitkritik im Vordergrund. Allerdings nutzten nur wenige Autorinnen und Autoren der jungdeutschen Bewegung diese Literaturform. Wichtigste Vertreter sind Christian Dietrich Grabbe mit seinem Geschichtsdrama Napoleon oder Die Hundert Tage und Georg Büchner mit Dantons Tod. Büchner weist allerdings nur inhaltliche Übereinstimmungen mit dem Jungen Deutschland auf. Er selbst distanzierte sich von der Bewegung. Dennoch wird gerade in seinem Werk Woyzeck das Thema der Erneuerung sehr deutlich.
Autor | bekannte Werke |
Heinrich Heine (1797–1856) | Deutschland. Ein Wintermärchen |
Christian Dietrich Grabbe (1801–1837) | Napoleon oder Die hundert Tage |
Karl Gutzkow (1811–1878) | Wally, die Zweiflerin |
Ludwig Börne (1786–1837) | Briefe aus Paris |
Heinrich Laube (1806–1884) | Das junge Europa |
Auf einen Blick: Junges Deutschland
- Zeitraum: 1830–1835
- Einordnung: zeitgleich zu Biedermeier und Vormärz und damit Teil der Restaurationsepoche
- bedeutende Ereignisse: Wiener Kongress, Karlsbader Beschlüsse, Hambacher Fest, Pauperismus
- Merkmale: Widerstand gegen das politische System und die Obrigkeiten
- Literatur: Vermischung von Kunst und Politik
- Vertreter /-innen: Heinrich Heine, Christian Dietrich Grabbe, Karl Gutzkow
Bildnachweis: Theodor Hosemann creator QS:P170,Q1640970, Theodor Hosemann, Armut im Vormärz, 1840, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons