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Literaturwissen: Was ist eine Legende?

Was ist eine Legende? Die Legende von Sleepy Hollow

Den Begriff „Legende“ verwenden wir häufig für große Persönlichkeiten, die eine außergewöhnliche Lebensgeschichte und außergewöhnliche Leistungen vollbracht haben. Die Legende ist aber auch eine literarische Textsorte. Hier gehen wir der Frage nach: Was ist eine Legende?

Kopfloser Reiter und Heiliger: Was ist eine Legende?

Habt ihr schon mal von Sleepy Hollow und dem Reiter ohne Kopf gehört? Wenn nicht, dann kennt ihr aber bestimmt Robin Hood, den König der Diebe, oder Sankt Martin, der an einem kalten Wintertag an einem hungernden und frierenden Bettler vorbeireitet, mit dem Schwert seinen warmen Mantel teilt und dem Bettler eine Hälfte schenkt. Nicht weniger bekannt sind König Artus und seine legendären Ritter der Tafelrunde. Und „legendär“ ist genau das Stichwort: Es handelt sich um Legenden. Was eine Legende ist, schauen wir uns hier genauer an.

Definition: Das ist eine Legende

Die Legende ist eine literarische Form, die häufig historische, religiöse oder folkloristische Inhalte behandelt und sich durch eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion auszeichnet. Sie dient dazu, bestimmte Werte, Lehren oder kulturelle Identitäten zu vermitteln. Sie gehört zur literarischen Gattung der Epik und ist mit dem Märchen und der Sage verwandt. Wie Sagen haben Legenden meist einen wahren Kern, der fantastisch ausgeschmückt wird. Der Begriff “Legende” leitet sich von dem mittelalterlich-lateinischen Ausdruck legenda ab, der so viel bedeutet wie „das, was zu lesen ist”, „das Vorzulesende”, bzw. „die zu lesenden Stücke“. Die Herkunft des Begriffs deutet somit – im Unterschied zur Sage und ihrer mündlichen Erzähltradition – eine enge Beziehung zur literarischen Überlieferung an.

Merkmale der Legende

Wie jede Textsorte, so weist auch die Legende charakteristische Merkmale auf, die sie als Legende identifizieren. Diese Merkmale sind…

  • ihre historischen Bezüge,
  • religiöse oder moralische Themen,
  • fantasievolle Elemente,
  • einfache Sprache und
  • ihre mündliche Tradition.

Historische Bezüge

Legenden enthalten meist Elemente, die auf tatsächlichen historischen Ereignissen oder Personen basieren, jedoch oft in einer stark ausgeschmückten oder fantastischen Form präsentiert werden. Diese Verbindung zur Geschichte verleiht der Legende einen gewissen Wahrheitsgehalt und macht sie glaubwürdiger.

Religiöse oder moralische Themen

Viele Legenden sind mit religiösen Überzeugungen oder moralischen Lehren verbunden. Sie sollen den Glauben stärken oder Werte wie Tapferkeit, Gerechtigkeit und Treue vermitteln.

Fantasievolle Elemente

Legenden beinhalten häufig übernatürliche oder fantastische Elemente, wie Wunder, mythische Kreaturen oder übernatürliche Eingriffe. Diese Elemente dienen dazu, die Erzählung spannender zu gestalten und die Botschaft eindringlicher zu vermitteln.

Einfache Sprache

Die Sprache in Legenden ist oft einfach und anschaulich, was darauf zurückgeht, dass viele Legenden zuerst oft mündlich weitergegeben wurden. Auch in schriftlicher Form macht es die einfache Sprache leicht, Geschichten zu verstehen und weiterzugeben und somit eine breite Leserschaft anzusprechen.

Mündliche Tradition

Viele Legenden wurden ursprünglich mündlich überliefert, bevor sie schriftlich festgehalten wurden. Diese mündliche Tradition hat dazu beigetragen, dass sich Legenden im Laufe der Zeit verändert und entwickelt haben.

Funktion der Legende

Legenden sind nicht einfach nur Geschichten, die der Unterhaltung dienen sollen. Innerhalb einer Kultur oder Gemeinschaft erfüllen sie verschiedene wichtige Funktionen:

  1. Wertvermittlung: Legenden dienen als Träger von Werten und Normen. Durch die Darstellung von Helden und deren Taten werden Ideale wie Mut, Selbstlosigkeit und Glaube vermittelt.
  2. Identitätsstiftung: Legenden tragen zur Identitätsbildung einer Gemeinschaft bei. Sie verbinden die Menschen mit ihrer Geschichte und Kultur und stärken das Gemeinschaftsgefühl.
  3. Erklärung von Phänomenen: Legenden liefern Erklärungen für natürliche oder gesellschaftliche Phänomene, die sich nicht erklären lassen. So helfen sie den Menschen, die Welt um sie herum zu verstehen.

Das macht Legenden zu einem wichtigen Bestandteil einer Kultur. Sie verbinden historische und fiktive Elemente, um Werte zu vermitteln, Identität zu stiften und die Welt zu erklären. Ihre mündliche Tradition und die einfache Sprache ermöglichen es, dass sie über Generationen hinweg weitergegeben und immer wieder neu interpretiert werden können.

Ursprünge und Entwicklung

Die Ursprünge der Legende sind vielfältig und oft in der mündlichen Überlieferung von Kulturen verankert. Bereits in der Antike wurden Geschichten erzählt, die Heldenreisen oder göttliche Interventionen thematisierten. Mit der Entwicklung schriftlicher Überlieferung wurden viele dieser mündlichen Traditionen festgehalten und weiterentwickelt.

Legenden im Mittelalter

Im Mittelalter erlebten Legenden eine Blütezeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Christianisierung Europas. Es entstanden viele Heiligenlegenden, also Legenden über Heilige und deren Wunder, die den Glauben der Menschen stärken sollten. Diese Geschichten wurden oft in Klöstern gesammelt und niedergeschrieben. Viele der im antiken Christentum entstandenen Legenden wurden im Mittelalter zu Epen in mittelhochdeutschen Versen umgewandelt. Zu den bekanntesten gehören die der Epiker Hartmann von Aue, Konrad von Würzburg oder Rudolf von Ems. Während des Mittelalters entstanden außerdem  sogenannte Passionare. Das sind Sammlungen von verschiedenen älteren Legenden über die Heiligen und Märtyrer der christlichen Kirche.

Renaissance und Aufklärung

Ab der Renaissance im 15. bis 16. Jahrhundert begannen die Menschen, Legenden kritischer zu betrachten. Der Gelehrte Erasmus von Rotterdam etwa zog eine strikte Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Seiner Auffassung nach waren nur Fakten für die humanistische Bildung des Menschen geeignet. Auch Martin Luther vertrat den Standpunkt, dass frei erfundene Erzählungen aus der humanistischen Bildungsidee auszuschließen seien. Er begegnete vor allem den Erzählungen von göttlichen Wundern mit Skepsis.

Während der rationalen Aufklärung im 17. Jahrhundert verlor die Legende an Bedeutung. Vernunft und Verstand waren die Leitbilder der Zeit und richteten sich gegen Aberglauben und das als rückständig empfundene Mittelalter. Außerdem widersprachen die religiösen Bezüge und die teilweise fiktiven Elemente der Legende dem sachlichen Zeitgeist.

Wiederbelebung in der Romantik

Eine Wiederbelebung erfuhr die Legende während der Romantik-Epoche (1798 – 1840). Sie lehnte die Werte der rationalen Aufklärung ab und wandte sich dem Mystischen, Übernatürlichen und Fantasievollen zu. Das Mittelalter wurde zu einem goldenen Zeitalter verklärt, seine Zeugnisse, wie etwas Legenden oder auch Märchen, sollten bewahrt werden.

Legenden heute

Eine Faszination für Legenden gibt es heute noch immer, auch wenn insbesondere die religiösen Bezüge darin zunehmend an Bedeutung verlieren.  In der modernen Literatur sind Legenden weiterhin präsent, oft als Inspiration für Romane, Filme und andere Medien.

Als moderne Form der Legende sind die Urban Legends, auch als Großstadtmythen bezeichnet, verbreitet. Sie beziehen sich meist auf unheimliche und absurde Begebenheiten und zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf den ersten Blick den Anschein erwecken, dass sie wahr sein könnten.

Bekannte Legenden

  1. Die Legende von König Artus: Diese berühmte Legende erzählt die Geschichte von König Artus, der mit seinem Schwert Excalibur regierte und die Ritter der Tafelrunde um sich versammelte. Die Erzählungen um Artus enthalten viele übernatürliche Elemente und thematisieren Tugenden wie Ehre und Tapferkeit.
  2. Die Legende von Robin Hood: Robin Hood, der legendäre „Held der Entrechteten“, stiehlt von den Reichen, um den Armen zu helfen. Diese Legende spiegelt das Ideal von Gerechtigkeit und Widerstand gegen Unterdrückung wider.
  3. Die Legende von Faust: Diese deutsche Legende erzählt von einem Gelehrten, der seine Seele an den Teufel verkauft, um Wissen und Macht zu erlangen. Auf ihrer Grundlage verfassste Johann Wolfgang von Goethe sein Lebenswerk Faust.

Der Unterschied zu anderen Textsorten

Auch wenn jede Textsorte charakteristische Merkmale aufweist, die sie als solche zu erkennen geben, kommt es zwischen manchen Textarten zu Überschneidungen, die eine solche Identifikation nicht immer ganz einfach machen. Das ist bei Legenden, Sagen und Märchen der Fall.

TextsorteInhaltZielRealitätsanspruchStil
Legendebasieren oft auf historischen Ereignissen oder Figuren, enthalten jedoch auch fantastische Elemente.vermitteln religiöse oder moralische Werte, sind oft mit einem kulturellen oder spirituellen Kontext verbundenwerden häufig als teilweise wahr oder zumindest glaubwürdig angesehenmündliche Überlieferung, oft in einfacher Sprache, jedoch mit einem gewissen Ernst und tiefen Themen.
Sage meist regional geprägt und oft mit lokalen Ereignissen oder Persönlichkeiten verbundenerklären Phänomene, Traditionen oder OrteWahrheitsanspruch, wobei die fantastischen Elemente überwiegenhäufig in erzählerischer Form, oft weniger dramatisch als Legenden, dafür aber mit starkem Bezug zur Region
Märchenfiktive Geschichten, die meist mit fantastischen Elementen, magischen Wesen und klaren moralischen Lehren gefüllt sinddienen primär der Unterhaltung und der Vermittlung von Lebensweisheiten oder Moralklar als Fiktion erkennbaroft in einfacher Sprache verfasst und strukturiert mit wiederkehrenden Mustern

Im Überblick: Was ist eine Legende?

  • Legenden basieren oft auf historischen Ereignissen oder Personen, sind jedoch stark ausgeschmückt und enthalten fantastische Elemente.
  • Sie vermitteln häufig Werte und Lehren, die mit Glaubensvorstellungen oder ethischen Normen verbunden sind.
  • Viele Legenden wurden ursprünglich mündlich überliefert, bevor sie schriftlich festgehalten wurden, was zu Variationen in den Erzählungen führte.
  • Legenden tragen zur kulturellen Identität und zum Gemeinschaftsgefühl bei, indem sie gemeinsame Geschichten und Mythen teilen.

Bildnachweis: John Quidor artist QS:P170,Q3182324, The Headless Horseman Pursuing Ichabod Crane, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons