Hintergründe

Hexenverfolgung: ein historischer Exkurs

Hexenverfolgung Scheiterhaufen

Eine der charakteristischsten, gruseligsten und zugleich faszinierendsten Märchengestalten ist die Hexe. Als typische Frauengestalt im Märchen hat sie einen historischen Ursprung, der bei der Beurteilung der Märchenhexe berücksichtig werden muss. Denn als Spiegel des historischen Hexenbildes ist sie zugleich auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der frühen Neuzeit.

Nach der Meerjungfrau in Folge 13 widmen wir unsere Märchenkunde in Folge 23 „Verehrt, verdammt, verbrannt“ einer weiteren Frauenfigur im Märchen: der Hexe. Um zu verstehen, wie das typische Bild der Märchenhexe entstanden ist, werfen wir dazu auch einen Blick auf die historische Hexenfigur und ein dunkles Kapitel Menschheitsgeschichte: die Hexenverfolgung, die vor allem eine Verfolgung von Frauen war.

Die Hexenverfolgung als Frauenverfolgung

Auch wenn mit der Ausbreitung der Hexenverfolgungen zum Hexenwahn weder Männer noch Kinder vor einer Verurteilung sicher waren, so zeigen Quellen doch am eindeutigsten, dass es vor allem die Frauen waren, die in den wegen Hexerei geführten Prozessen verurteilt wurden. Statistiken belegen, dass in den meisten Regionen Europas mehr als 75 Prozent der Hexen weiblich waren, in der englischen Grafschaft Essex, dem Bistum Basel und der Grafschaft Namur im heutigen Belgien sogar mehr als 90 Prozent.

Diese Zahlen legen den Schluss nahe, dass Hexerei zwar nicht geschlechtsspezifisch, dennoch aber ein mit dem Geschlecht zusammenhängendes Verbrechen war, die Hexenverfolgungen zwar nicht ausschließlich, aber vor allem eine Verfolgung der Frauen war.

Hexenverfolgung: Auch Männer waren nicht sicher

Der Begriff „Hexe“ stammt von dem Wort Hagazussa aus dem 10. Jh. und war zunächst eine Bezeichnung für ein nicht menschliches Wesen, das in Hecken und Zäunen haust. Der Definition nach war der Begriff also durchaus auch auf Männer anwendbar, denn auch sie konnten schadensstiftende Magie ausüben oder am Hexensabbat teilnehmen. Allerdings gab es nur wenige Situationen, in denen Männer ebenso stark wie Frauen der Hexerei verdächtigt wurden. Dies war beispielsweise dann der Fall, wenn Hexenprozesse im engen Zusammenhang mit anderen Formen der Häresie standen, denn Häretiker waren meist aktiver als ihre weiblichen Glaubensbrüder und gerieten folglich auch schneller unter Verdacht.  So gab es während der Inquisition in Spanien und Rom einen weit höheren Anteil an männlichen Hexen, was auch darauf zurückzuführen war, dass Hexerei als eine Form der Ketzerei gesehen wurde und nicht als das Maleficium.

Manche Aspekte des Hexenglaubens entwickelten sich auch aus politischen Beweggründen heraus, denn Männer nutzten im Mittelalter nicht selten rituelle Magie, um positiven Einfluss auf ihre politische Karriere zu nehmen. Tatbestand war hier der Verrat, der während der frühen Hexenprozesse viele Männer auf die Anklagebank brachte. Als die Hexenjagd außer Kontrolle geriet und der Hexenwahn zur beinah wahllosen Benennung angeblicher Hexen führte, war die übliche Vorstellung einer Hexe oft bedeutungslos, so dass selbst Männer mit hohem Sozialstatus der Hexerei bezichtigt werden konnten. Trotz dieser drei Ausnahmen war der Großteil der verurteilten Hexen weiblich.

Ein weiblicher Prototyp

Sowohl in der antiken als auch in der mittelalterlichen Kultur, Literatur und Kunst war der Prototyp der Hexe stets weiblich. Abgesehen davon spiegelt die Hexenverfolgung aber deutlich das zu dieser Zeit herrschende Frauenbild wider, das entscheidend dazu beitrug, dass Frauen im den Fokus der Hexenjagd standen.

Schon im frühen Christentum wurde die Auffassung vertreten, dass Frauen als das schwache Geschlecht moralisch weniger gefestigt seien als Männer und daher anfälliger für die Versuchung des Teufels.  Auch in den frühneuzeitlichen Traktaten taucht diese Auffassung immer wieder auf, insbesondere dem Malleus Malefiarum, dem so genannte Hexenhammer, liegt ein zutiefst frauenfeindliches Bild zu Grunde. Mit ihm begann die blutige Epoche der Hexenverfolgung.


Hexenverfolgung Hexenhammer Titelbild
Das Titelbild eines zutiefst frauenverachtenden Werkes: der Hexenhammer. | Foto: gemeinfrei

Der Hexenhammer

1487 von den Verfassern Heinrich Kramer und Jakob Sprenger veröffentlicht, fasst das dreiteilige Buch alles zusammen, was bis dahin über die Hexerei bekannt und festgestellt worden war.  Es gab genaue Richtlinien vor, wie weltliche und kirchliche Gerichte mit dem Verbrechen der Hexerei umzugehen haben und legte das Strafmaß fest.  Unter dem Deckmantel der Gottesfurchtsamkeit legitimierte der Hexenhammer grausamste Foltermethoden und beschriebt wüste Ausschweifungen und sexuelle Abartigkeiten. Ferner  kreiert er ein eindeutiges Frauenbild: Frauen seien „unvollkommene Tiere“, dumm, wollüstig, unbeständig, eitel, geschwätzig und neugierig. Abgesehen von der intellektuellen Unterlegenheit der Frau, ihrer Abergläubigkeit  und ihrer Glaubensschwäche sei vor allem die sexuelle Leidenschaftlichkeit Schuld an der Charakterschwäche der Frau. Daraus schlussfolgern die Autoren, „dass alle Hexerei von der fleischlichen Lust kommt, die bei den Frauen unersättlich ist.“ Zudem erklärten sie, dass sich das lateinische Wort femina von fe und minus ableite, also „ohne Glauben“ bedeute.

Die Furcht vor weiblicher Überlegenheit

Die Vorstellung, dass Frauen den sinnlicheren und sexuell zügelloseren Teil der Menschheit bilden, war bis ins 18.Jahrhundert hinein eine allgemein verbreitete Vorstellung, die vor allem von den Klerikern propagiert wurde. Das Bild der sexbesessenen Hexe spiegelt aber nicht nur den kirchlichen Mythos der lasziven Frau wider, sondern, wie in allen Fällen von Unterdrückung von Frauen, auch die männliche Furcht vor weiblicher Überlegenheit: Männer fürchteten sexuell erfahrene und unabhängige Frauen, die sich nicht der Kontrolle des Mannes unterwerfen ließen. Daher wurden ältere Frauen zum Objekt männlicher Angst und häufig der Hexerei beschuldigt.

Aber auch der Status einer unverheirateten Frau ließ schnell den Verdacht der Hexerei aufkommen, denn eine Frau, die weder Vater noch Ehemann untertan war, war in einer patriarchalischen Gesellschaft, in der der Mann die Existenz der Frau bestimmte, durchaus Grund zur Besorgnis, schließlich hatten Frauen weder selbstständig, noch  von einem Mann unabhängig zu sein. Folglich ging man davon aus, dass unverheiratete Frauen schneller dem Teufel verfielen als solche mit Ehemann. Dennoch waren verheiratete Frauen vor dem Vorwurf der Hexerei kaum weniger sicher.


Hexenverfolgung Hexensabbat
Hexen treffen sich zum teuflischen Gottesdienst, dem Hexensabbat. | Foto: gemeinfrei

Typisch weibliche Berufe

Ein weiterer Aspekt ist ebenfalls in der gesellschaftlichen Rolle der Frau zu finden: Die beruflichen Tätigkeiten, denen Frauen nachgingen, boten mehr Gelegenheit zu schadensstiftender Magie als die Berufe der Männer.

Als Köchinnen, Hebammen oder Heilkundige übten sie Tätigkeiten aus, die schnell zum Vorwurf der Hexerei führen konnten. Denn der Hexenhammer warnt vor allem vor solchen Hexen, die sowohl heilen als auch schaden können, die die Fähigkeit besitzen Tränke und Salben zu brauen und die ungetaufte Kinder dem Teufel opfern.  Gerade als Hebamme hatte eine Hexe leicht die Möglichkeit, sich solche Kinder zu beschaffen, ebenso wie die Eltern eines toten Neugeborenen leicht der Hebamme die Schuld für den Tod ihres Babys in die Schuhe schieben konnten.

Zauberei als Instrument des Schutzes

Eine letzte Erklärung für die überwiegende Anzahl weiblicher Hexen liefert der Glaube, dass Frauen, die ja im Gegensatz zu den Männern weder über politische Macht, noch physische Kraft verfügten, die Zauberei als Instrument des Schutzes und der Rache nutzen könnten, denn die Zauberei war eine der wenigen Formen mit der die Frauen im frühneuzeitlichen Europa Macht ausüben konnten. Dadurch wurde die Hexe zu einer mächtigen Frau, die zum einen zwar das Opfer gesellschaftlicher Missstände wurde, zum anderen aber eben auch mächtig und bedrohlich war.

Dieses Bild der Hexe ist nicht nur auf den damaligen Aberglauben zurückzuführen, sondern wurde vor allem durch das herrschende Frauenbild geprägt. Das Bild der Frau und ihre Rolle in der Gesellschaft haben zum Hexenglauben beigetragen und begünstigt, dass sich dieser Glaube zu den Hexenverfolgungen ausbreiten konnte. Der Glaube an magische Wesen als alter Volksglaube wurde vor allem von Männern, Klerikern, Inquisitoren und anderen Gelehrten, geschürt und konnte sich auch deshalb zum Hexenwahn ausbreiten, weil Frauen in der damaligen Männergesellschaft keinen Wert hatten und weder unabhängig, noch gebildet waren. Wie über alle Jahrhunderte hinweg ist auch diese Unterdrückung der Frauen von Männern gemacht, entstanden aus dem Irrglauben, Frauen seien schwächer, dümmer und minderwertiger als Männer. Dieses Denken macht es nahe liegend, Frauen die Schuld an Dingen zu geben, die man sich damals noch nicht erklären konnte. Folglich sind die gesellschaftliche Stellung und das Frauenbild entscheidende Faktoren, die den Hexenwahn begünstigt und zum großen Teil zu einer Frauenverfolgung und einer der grausamsten Formen von weiblicher Unterdrückung gemacht haben.


Quellen:

  • Durchschmied, Erik: Hexen, Tod und Teufelswerk. Hexenverfolgungen im Laufe der Jahrhunderte. Berlin 2003.
  • Levack, Brian P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa. Beck´sche Reihe, 2. Auflage, Bremen 1999.
  • Ahrendt-Schulte, Ingrud: Weise Frauen – böse Weiber. Die Geschichte der Hexen in der frühen Neuzeit, Freiburg i.Br. u.a. 1994.

Bildnachweise: