Hintergründe

Dramatik-Merkmale: Tragik, Humor und Reflexion

Dramatik-Merkmale Theater

Romeo oh Romeo – Dramen sind bekannt für, klar, ihre Dramatik. Doch was bedeutet das genau? Welche Dramatik-Merkmale es gibt und warum sie die literarische Gattung der Dramatik so besonders machen, lest ihr hier.

Dramatik-Merkmale: mehr als tragisch

Beim Stichwort „Drama“ denken wir oft an große Liebesgeschichten wie die von Romeo und Julia sowie ihr tragisches und, ehrlich gesagt, auch ziemlich theatralisches Ende. Dramentexte sind aber nicht nur tragisch. Es gibt noch zahlreiche weitere Dramatik-Merkmale, die wir euch hier vorstellen.

Definition: Das ist Dramatik

Die Dramatik ist die zweite der drei literarischen Gattungen Epik, Lyrik und Dramatik und zeichnet sich durch einzigartige Merkmale aus, die nur Texte dieser Gattung aufweisen. Durch sie unterscheiden sich dramatische Texte grundlegend von epischen Texten, zu denen beispielsweise Kurzgeschichten, Novellen, Sagen und Märchen gehören, sowie von lyrischen Texten, also alle Arten von Gedichten.

Der Begriff „Dramatik“ leitet sich vom griechischen Wort drāma ab, was „Handlung“ oder „Geschehen“ bedeutet. Somit bezeichnet die Dramatik also handelnde Dichtung und umfasst Texte, die für die Aufführung auf der Bühne konzipiert sind. Konkret bedeutet das: Dramen sind nicht zum Lesen konzipiert, sondern dazu da, von Schauspieler*innen am Theater vorgetragen und aufgeführt zu werden. Was das genau für die formale Gestaltung dieser Texte bedeutet, schauen wir uns im Folgenden an.

Merkmale der Dramatik

Da es sich bei dramatischen Texten um Theaterstücke handelt, werden sie auch als „Bühnendichtung“ bezeichnet. Ihre grundsätzliche Ausrichtung ist es, auf einer Bühne dargestellt zu werden. Aus diesem Grund weisen sie ganz spezifische Merkmale auf.

Zu den Dramatik-Merkmalen gehören:

  • Aufbau in Szenen und Akte 
  • Figurenrede
  • Regieanweisungen
  • Es gibt keinen Erzähler
  • Zeichenvielfalt
  • Fiktion und Simulation

Diese Merkmale sind einzigartig in der Literatur und nur in dramatischen Texten zu finden.

Der Aufbau: Szenen und Akte

Der Aufbau eines Dramas ist so charakteristisch, dass ihr schon auf den ersten Blick erkennen könnt, wenn es sich bei einem vorliegenden Text um ein Drama handelt. Die Handlung wird in verschiedene Sinneinheiten gegliedert, die als „Akt“, manchmal auch als „Aufzug“ bezeichnet werden. Diese wiederum bestehen aus mehreren Szenen.  

Figurenrede

Dramentexte haben keinen Erzähler wie epische Texte und auch kein lyrisches Ich wie Gedichte. Das ist auch nicht nötig, denn anders als in epischen oder lyrischen Texten braucht ihr bei Dramentexten niemanden, der euch sagt, was gerade passiert, schließlich wird das ja alles auf der Bühne gezeigt. 

Liegt der Dramentext nur in Textform vor, müsst ihr euch die Handlung aus der wörtlichen Rede ableiten. Denn Dramentexte sind ausschließlich in wörtlicher Rede verfasst. Sie kann in Form von Dialogen (zwei oder mehr Figuren sprechen miteinander) oder Monologen (Selbstgespräch) stattfinden und dient nicht nur dazu, den Handlungsverlauf voranzutreiben. Die Figurenrede liefert auch alle Infos, die die Lesenden brauchen, um die Geschichte zu verstehen.

Regieanweisungen

Auch wenn die Figurenrede die Aufgabe hat, sowohl die Handlung voranzutreiben als auch die Welt der Figuren zu erklären, gibt es Dinge, die sich nicht über die wörtliche Rede transportieren lassen. Für diesen Fall gibt es Regieanweisungen. Sie sind kursiv gedruckt und lassen sich dadurch auf einen Blick von der Figurenrede unterscheiden. 

Regieanweisungen geben meist Anmerkungen zum Bühnenbild oder zu Auf- und Abgängen der Figuren. In manchen Fällen geben sie aber auch Hinweise darauf, was ein Charakter gerade tut, etwa lachen oder schreien. Damit geben sie auch den Schauspieler /-innen, die diese Figuren verkörpern, vor, wie sie sich auf der Bühne zu verhalten haben oder wie sie ihre Rolle interpretieren sollen.

Sprechsituation

Dadurch, dass es im Drama keinen Erzähler gibt, ergibt sich eine besondere Sprechsituation, wie du sie nur in dramatischen Texten findest. Dabei geht es nicht allein darum, was die Figuren sagen, sondern vielmehr um die Umstände, unter denen sie es tun. Zu diesen Umständen gehören Ort, Zeit, Anlass, Absicht und Figurenkonstellation. Das alles lässt sich aus der Figurenrede ableiten.

Zeichenvielfalt

Neben den Regieanweisungen kommen noch andere Formen zum Einsatz, die Dinge auszudrücken, die sich durch die Figurenrede allein nicht vermitteln lassen. Man unterscheidet hier zwischen akustischen und optischen Signalen, die es nur geben kann, weil Dramentexte aufgeführt werden.

Akustische Zeichen sind die Dinge, die das Publikum während der Aufführung hört. Sie können von den Darsteller /-innen kommen und Sprache, Akzent, Sprechtempo, Betonung oder Lautstärke betreffen. Aber auch Geräusche, Musik oder die Stimme aus dem Off, also aus dem unsichtbaren Bereich der Bühne, zählen dazu. Zu den optischen Signalen gehören Bühnenbild und Requisiten sowie Erscheinungsbild, Mimik, Gestik, Maske und Kostüme der Schauspieler /-innen.

Fiktion und Simulation

Dadurch, dass das Drama darauf ausgelegt ist, aufgeführt zu werden, passiert in dieser Textgattung etwas Besonderes: Fiktion und Simulation verschmelzen miteinander. Die Fiktion vollzieht sich auf der Ebene des Lesens: Siehst du den Text nicht auf der Bühne, musst du dir die erfundene Realität selbst vorstellen. Erlebst du das Drama aber im Theater, wird die Handlung körperlich erlebbar und das Geschehen wird auf eine bestimmte Weise simuliert und damit auch interpretiert. Deine Fantasie ist dann nicht mehr allein dir überlassen, sondern dir wird eine Interpretation der Geschichte vorgegeben.

Formen der Dramatik

Drama ist nicht gleich Drama. Wie schon in Lyrik und Epik, so hast du auch in der Dramatik verschiedene Arten dramatischer Texte. Grob kannst du in Tragödie und Komödie unterscheiden: Tragödien enden tragisch, Komödien haben ein Happy End. 

Die Tragigkkomödie, auch Drama genannt, ist eine Mischform aus Tragödie und Komödie und enthält sowohl ernste als auch humorvolle Elemente. So will sie die oft komplexe Realität widerspiegeln und kann Themen behandeln, die in ihrer Vielschichtigkeit sowohl tragische als auch komische Aspekte aufweisen. Darüber hinaus kannst du noch weitere dramatische Textformen unterscheiden:

FormErklärung
Komödieein lustiges Stück mit Happy End
TragödieTrauerspiel mit tragischem Ausgang
Tragikomödieein Drama mit tragischen und komischen Elementen
Moralitätein mittelalterliches Drama mit belehrendem Charakter
Sittenstückbildet auf kritische Weise die Sitten der Zeit ab
Mysterienspielgeistliches Drama des Mittelalters
Mirakelspielein mittelalterliches, geistliches Drama, das Wundertaten der Jungfrau Maria und der Heiligen thematisiert
Dramolettein kurzes Drama, auch Minidrama genannt

Das antike Drama

Beim Thema Dramatik kommen wir an einer Dramenform nicht vorbei, da sie über Jahrhunderte die Dramentexte beeinflusst hat: das antike Drama. 

Das Drama war im antiken Griechenland von großer politischer und religiöser Bedeutung und hatte einen hohen Stellenwert. Der Philosoph Platon sah die Dichtung als staatsgefährdend an, weshalb der Gelehrte Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) die Bedeutung des Dramas in seinem nicht mehr vollständig erhaltenen Werk „Poetik“ verteidigte und seine Dramentheorie entwickelte. Sie legt den Aufbau des antiken Dramas genau fest.

Die aristotelische Dramentheorie

Die aristotelische Dramentheorie ist die Basis aller Dramentheorien und wichtig, um den Aufbau eines Dramas zu verstehen. Sie legt die Merkmale des klassischen Dramas fest und war für Autoren /-innen jahrhundertelang die Vorlage, nach der sie ihre Werke aufbauten. Zu diesen Merkmalen gehören:

  • die Mimesis (Nachahmung)
  • Das Drama soll Jammern (Eleos) und Schaudern (Phobos) auslösen.
  • Es soll eine Katharsis (Reinigung) bewirken.
  • Das Drama bildet eine Einheit von Ort, Zeit und Handlung.
  • Es ist in gehobener Sprache verfasst.
  • Es hat einen geschlossenen Aufbau.

Der Aufbau eines geschlossenen Dramas

Der geschlossene Aufbau ist ein typisches Merkmal des klassischen Dramas. Aus diesem Grund wird es auch als geschlossenes Drama bezeichnet. Es folgt einem strengen Aufbau, von dem es niemals abweicht. Ausgehend von Aristoteles’ Dramentheorie hat Gustav Freytag 1863 in seiner Schrift „Die Technik des Dramas“ das sogenannte Pyramidenmodell entworfen, das zeigt, wie ein geschlossenes Drama aufgebaut ist:

AktBezeichnungFunktion
1. AktExpositionDie handelnden Personen des Dramas werden vorgestellt, ein Konflikt kündigt sich an
2. Akterregendes MomentDie Handlung nimmt Fahrt auf und der Konflikt verschärft sich.
3. AktPeripetieder Höhepunkt der Handlung
4. Aktretardierendes MomentDie Handlung fällt ab. Das retardierende Moment verzögert die Handlung und baut Spannung vor der folgenden Katastrophe auf.
5. AktKatastropheEs kommt zur großen Katastrophe (z.B. dem Tod des Helden) oder zu einer Lösung des Konflikts (z.B. einer Versöhnung).

Weitere Begriffe der Dramatik

Neben den charakteristischen Dramatik-Merkmalen gibt es noch einige weitere Begriffe, die im Zusammenhang mit dieser literarischen Gattung auftauchen:

  • Prolog: von der eigentlichen Dramenhandlung abgesetzte Einleitung
  • Epilog: Nachspiel, bildet mit dem Prolog den Rahmen um die Handlung
  • Intermezzo: ein Zwischenspiel 
  • Massenszene: Eine Szene, in der eine große Anzahl an Personen auftritt.
  • Monolog: ein Selbstgespräch.
  • Dialog: Gespräch zwischen zwei und mehr Figuren
  • Peripetie: der entscheidende Wendepunkt beziehungsweise Umschwung in einem Drama.

Auch die Figuren, die im Drama auftreten, sind natürlich von Bedeutung. Diesbezüglich sind folgende Bezeichnungen relevant:

  • Protagonist /-in: Hauptperson
  • Held: die Hauptperson eines Dramas
  • Antiheld: im Unterschied zur aktiv handelnden Heldenfigur eines Dramas eine passive oder negative Hauptfigur
  • Dramatis Personae: Personen, die in einem Drama auftreten
  • Koryphäe: der Chorführer im antiken Drama

Die Funktion des Dramas

Wie ihr sehen könnt, zeichnet sich die Dramatik durch ihre besondere Form aus. Sie ist es auch, die ihr zu ihrer Funktion verhilft: Dramatische Texte verbinden Sprache, Emotionen und Handlung auf einzigartige Weise und bieten sowohl Unterhaltung als auch tiefgehende gesellschaftliche Reflexion. Ob in Form von Tragödien, Komödien oder modernen Dramen – die Vielfalt der dramatischen Werke ist auch dazu gedacht, die komplexen Facetten des menschlichen Lebens zu erkunden und über sich selbst und die Gesellschaft nachzudenken. 

Unterhaltung und Emotion

Dramatische Werke sind oft darauf ausgelegt, das Publikum emotional zu berühren. Sie bieten Unterhaltung durch Spannung, Humor oder Tragik und ermöglichen es dem Publikum, mit den Charakteren mitzufühlen und sich mit ihnen zu identifizieren.

Gesellschaftskritik

Viele Dramen reflektieren soziale, politische oder moralische Themen. Dadurch bieten sie eine Plattform, um gesellschaftliche Missstände zu thematisieren und zum Nachdenken anzuregen.

Identitäts- und Rollenfindung

Die Dramatik erlaubt es den Zuschauenden, verschiedene Identitäten und Lebensentwürfe zu erkunden. Das Spiel der Darsteller*innen macht unterschiedliche Perspektiven erlebbar, was zur Reflexion über die eigene Identität anregt.

Bekannte Dramen

Einige Dramen wie Romeo und Julia oder Goethes Faust sind so gut wie jedem oder jeder ein Begriff. Hier ist eine kleine Auswahl einiger bekannter Dramen, die vielen von euch wahrscheinlich noch aus dem Deutschunterricht in der Schule bekannt sein dürften:

TitelVerfasserErscheinungsjahr
AntigoneSophokles442 v. Chr
Romeo und JuliaWilliam Shakespeare1597
MacbethWilliam Shakespeare1606
Emilia GalottiGotthold Ephraim Lessing1772
Nathan der WeiseGotthold Ephraim Lessing1779
Maria StuartFriedrich Schiller1800
Faust IJohann Wolfgang von Goethe1808
Dantons TodGeorg Büchner1835
FrühlingserwachenFrank Wedekind1891
A Streetcar named Desire (Endstation Sehnsucht)Tennesse Williams1947
Warten auf GodotSamuel Beckett1952
Der Besuch der alten DameFriedrich Dürrenmatt1956
AndorraMax Frisch1961

Dramatik-Merkmale im Überblick

  • Die Dramatik ist die zweite der drei literarischen Gattungen.
  • Dramatische Texte sind konzipiert, um auf der Bühne aufgeführt zu werden.
  • Sie basieren hauptsächlich auf Dialogen zwischen Charakteren, die die Handlung vorantreiben und deren Beziehungen und Konflikte darstellen.
  • Dramatische Texte enthalten Bühnenanweisungen, die Regisseur*innen und Schauspieler*innen Hinweise zu Schauplätzen, Bewegungen und Emotionen der Figuren geben.
  • Der zentrale Konflikt ist essenziell für die Dramaturgie und bildet das Rückgrat der Handlung, oft verbunden mit einer emotionalen oder moralischen Botschaft.
  • Die Dramatik umfasst verschiedene Formen wie Tragödien, Komödien und moderne Dramen, die jeweils unterschiedliche Themen und Stile ansprechen.
  • Viele dramatische Werke thematisieren soziale und politische Fragen und üben Kritik an gesellschaftlichen Normen, wodurch sie oft zur Diskussion und Reflexion anregen.