Hintergründe

Böse Märchenfiguren: Das sind die typischen Bösewichte

Böse Märchenfiguren Rotkäppchen und der Wolf

Ob Hexe, böse Stiefmutter oder der Wolf – kein Märchen ohne Bösewicht. Doch welche Funktion haben sie? Und warum sind manche Figuren immer böse? Wir schauen uns hier die bösen Märchenfiguren genauer an.

Böse Märchenfiguren: kein Märchen ohne sie

Ein typisches Merkmal der Textsorte Märchen ist die Gegenüberstellung von Gut und Böse. Das führt dazu, dass wir in fast jedem Märchen eine Figur haben, die dem Protagonisten oder der Protagonistin entgegengestellt wird. Und da die Hauptfigur im Märchen immer gut ist, handelt es sich dabei stets um den Bösewicht. 

Dieser tritt in verschiedenen Gestalten auf, insgesamt haben sich aber einige Figuren als typische böse Märchenfiguren etabliert. Dazu gehören:

  • die Hexe
  • die böse Stiefmutter
  • Stiefgeschwister
  • der Bräutigam
  • die Nixe
  • der Zauberer oder die Zauberin und
  • Tiere.

Wir werfen einen Blick auf die Bösewichte im Märchen und erklären ihre Funktion.

Die Hexe

Ein klassisches Beispiel für eine typisch böse Märchenfigur ist die Hexe, meist gleichgesetzt mit der Hexe aus Hänsel und Gretel. Sie ist der Archetyp der Märchenhexe, eine gefährliche, alte und hässliche Figur, die an einem unheimlichen Ort – allein im Wald – lebt und Kinder fängt, einsperrt und isst. 

Ihr Verhalten symbolisiert das Böse in seiner reinsten Form: Gier, Grausamkeit und unersättlicher Hunger nach Macht. Das sorgt dafür, dass die Märchenhexe in als grundsätzlich böse gilt. In Märchen wie “Die Gänsehirtin am Brunnen” oder “Elena die Weise” finden sich aber auch Ausnahmen, die zeigen, dass die Märchenhexe eigentlich nicht so eindimensional ist, auch wenn sie als böse Märchenfigur gilt.

➸ Mehr zum Thema “Hexe im Märchen” hört ihr in unserer Podcast-Folge 23 „Verehrt, verdammt, verbrannt – die Hexe im Märchen„.

Die böse Stiefmutter

Eine der bekanntesten bösen Märchenfiguren ist die böse Stiefmutter, wie sie in Aschenputtel, Schneewittchen oder Brüderchen und Schwesterchen vorkommt. Sie steht symbolisch für Neid und Missgunst, behandelt ihre Stiefkinder schlecht und versucht, sich auf ihre Kosten zu bereichern. Sie drängt die Stiefkinder aus ihrer Familie heraus und möchte sich selbst oder ihre eigenen Kinder an deren Stelle setzen. Ihre typischen Eigenschaften sind Eitelkeit, Grausamkeit und Gier, oft ist sie zudem eine Hexe und verfügt über Zauberkräfte. 

In der Figur der Stiefmutter liegt eine soziale Realität: Die Rolle einer Stiefmutter kann kompliziert sein, die Eingliederung in eine neue Familie kann mit erheblichen Schwierigkeiten einhergehen und erfordert von allen Beteiligten eine aktive Auseinandersetzung mit der Situation, um die Probleme zu überwinden.

Stiefgeschwister

Wo die böse Stiefmutter ist, das sind oft auch die Stiefgeschwister nicht weit. Auch ihre Rolle kann als Spiegel der Realität gelesen werden: Zwischen leiblichen Geschwistern und Stiefgeschwistern kann es zu Streit und Rivalität kommen. Dies bildet auch das Märchen ab. Stiefgeschwister sind hier meist die neidischen Eindringlinge, die die leiblichen Kinder verdrängen wollen, etwa bei Aschenputtel oder Frau Holle. Nicht immer handeln sie dabei aber aus eigenem Antrieb. Oft ist es die eigene Mutter, die ihre eigenen Kinder für ihre Zwecke instrumentalisiert, beispielsweise bei Brüderchen und Schwesterchen oder Die weiße und die schwarze Braut.

Der Bräutigam

Große Liebe, Happy End –  bis dahin ist es manchmal ein weiter Weg. Denn nicht jeder Bräutigam ist der edle Märchenprinz. Vor allem in den Blaubart-Märchen, zu denen zum Beispiel Blaubart, Fitchers Vogel oder Der Räuberbräutigam gehören, entpuppt sich der Ehemann als frauenmordendes Monster.

Auch darin liegt eine gesellschaftliche Realität: Frauen wurden früher ohne ihre Einwilligung verheiratet. Was für ein Mann da für sie ausgesucht wurde, haben sie erst nach der Hochzeit erlebt. Zudem war die Frau dem Mann niemals ebenbürtig. Gewalt in der Ehe war keine Seltenheit. Und auch darüber hinaus liegt in dem bösen Bräutigam die simple Warnung “Drum prüfe, wer sie ewig bindet”. Ebenso zeigt er: Der Erstbeste ist nicht immer der Richtige.

➸ Mehr über Blaubart-Märchen hört ihr in Folge 53 „Vom blauen Barte„.

Die Nixe

Die Nixe ist eine facettenreiche Märchenfigur, die nicht grundsätzlich als typisch böse abgestempelt werden kann. Denn in ihr vermischen sich häufig verschiedene Meerwesen: Meerjungfrauen, Nixen, Sirenen – per Definition sind sie nicht identisch. 

Die Nixe bezeichnet einen weiblichen Wassergeist mit ambivalentem Charakter. Sie kann helfen und beschenken, aber auch betrügen und verfluchen. Letzteres tut sie beispielsweise in Die Nixe im Teich. Und auch Die Wassernixe ist eine kinderraubende Hexe. Insgesamt ist sie ein magisches, nur halb menschliches Wesen, das mit Vorsicht zu betrachten ist und mit dem man besser keinen Handel eingeht.

➸ Mehr über Nixen und Meerjungfrauen könnt ihr in Folge 13 „Von Nixen, steinharten Klößen und verwirrtem Lachs“ hören.

Der Zauberer oder die Zauberin

Zauberer und Zauberinnen sind ebenfalls nicht ausschließlich böse und tauchen im Märchen sowohl als Helfer:in als auch als Antagonist:innen. Im Allgemeinen sind sie Träger:innen von magischer Macht und Weisheit, die sie entweder zum Guten oder zum Bösen einsetzen. Sie repräsentieren oft übernatürliche Kräfte, die den Verlauf der Geschichte entscheidend beeinflussen.

In ihrer Funktion als Bösewicht setzen sie ihre Magie ein, um die Hauptfiguren zu quälen oder sie in schwierige Situationen zu bringen, wie beispielsweise der Zauberer in Der alte Zauberer und seine Kinder.

Böse Tiere

Das Aufeinandertreffen von Mensch und Tier ist ein typisches Element im Märchen. Dieses Aufeinandertreffen findet in verschiedenen Formen statt. Manchmal werden Menschen selbst in Tiere verwandelt, etwa weil sie verflucht oder bestraft werden, denken wir zum Beispiel an den Bären in Schneeweißchen und Rosenrot. In Märchen wie Aschenputtel begegnen uns Tiere als Freund und Helfer. Nicht selten muss die Hauptfigur sich aber auch vor ihnen in Acht nehmen, denn Tiere können auch als Kontrahent und Feind auftreten, der ihnen schaden will. In vielen Märchen agieren Tiere als böse Figuren, die entweder direkt die Held:innen bedrohen oder als Handlanger eines größeren Bösen auftreten. Ein klassisches Beispiel für ein solches Tier ist der Wolf in Rotkäppchen. Hier ist der Wolf auch ein Symbol für das Ungezügelte oder Instinktive, das dem Menschen zum Verhängnis werden kann.

Böse Tiere sind nicht nur einfache Bedrohungen, sondern stehen oft für bestimmte menschliche Laster und negative Eigenschaften. Sie sind nicht nur körperlich mächtig, sondern auch psychologisch herausfordernd, weil sie von der Hauptfigur verlangen, sich ihren Ängsten, Zweifeln und Schwächen zu stellen. Darüber hinaus sind böse Tiere im Märchen Symbolfiguren. Tiere wie Wölfe, Drachen oder Schlangen sind archetypische Darstellungen von Bedrohungen, die sowohl in der physischen als auch in der psychologischen Welt des Menschen existieren können.

Festgelegte Eigenschaften

Welche Tiere im Märchen böse sind, ist ziemlich genau festgelegt und hängt mit den Vorstellungen und Alltagssorgen der Menschen zusammen. So ist der Wolf als Tier seit jeher mit negativen Assoziationen verknüpft. Im Märchen tritt er daher stets als Bösewicht auf. Im japanischen Kulturkreis ist zum Beispiel der Dachs ein gängiger Bösewicht im Märchen. Böse Tiere verkörpern schlechte negative Eigenschaften und betonen die animalische Seite des Menschen. So ist der Wolf beispielsweise stets gierig und gefährlich. Die enge Verknüpfung von Tieren mit bestimmten Charaktereigenschaften ist übrigens nicht typisch Märchen. Auch in einer anderen epischen Textsorte werden Tiere zu Handlungsträgern mit spezifischen Eigenschaften: in der Fabel.

Eigenschaften von bösen Märchenfiguren

Böse Märchenfiguren dienen dazu, moralische Lektionen zu vermitteln. Sie sollen unerwünschte Verhaltensweisen aufzeigen und deutlich machen, dass solche Verhaltensweisen abzulehnen sind. Mehr noch: Sie sind gesellschaftlich nicht akzeptiert und ziehen Konsequenzen nach sich. Um den pädagogischen Aspekt des Märchens herauszustellen, sind böse Märchenfiguren somit ein unverzichtbares Element dieser Textsorte.

Darüber hinaus repräsentieren böse Märchenfiguren aber auch die Ängste und Bedrohungen der Gesellschaft oder des Einzelnen. Sie stehen für Gefahren wie Verlust, Zerstörung oder die Versuchung, den moralischen Weg zu verlassen, und zeigen somit die Gefahren des Lebens auf. Um diese Funktionen zu erfüllen, verkörpern sie bestimmte negative Eigenschaften.

Typische Eigenschaften von bösen Märchenfiguren sind:

  1. Hass und Neid: Böse Märchenfiguren sind meist von negativen Gefühlen wie Hass und Neid getrieben. Sie beneiden die Hauptfigur oder ihr Glück und wollen dies zerstören, wie zum Beispiel die böse Stiefmutter in Schneewittchen, die neidisch auf Schneewittchens Schönheit ist.
  2. Gier: Viele böse Märchenfiguren sind von Gier getrieben, sei es nach Macht, Reichtum oder anderen materiellen Dingen. 
  3. Manipulation und Täuschung: Böse Figuren nutzen oft Täuschung und Manipulation, um ihre Ziele zu erreichen. Sie locken die Held*innen in gefährliche Situationen oder täuschen Vertrauen vor, wie die Hexe in Hänsel und Gretel, die die Kinder in ihr Haus lockt.
  4. Grausamkeit und Gewalt: Böse Märchenfiguren sind häufig grausam und bereit, Gewalt anzuwenden, um ihre Wünsche zu erfüllen. Sie haben wenig Mitgefühl oder Moral, was sie zu furchteinflößenden und oft übermächtigen Gegner*innen macht, die keine Grenzen kennen.
  5. Magische Kräfte: Viele böse Figuren besitzen übernatürliche oder magische Kräfte, die sie einsetzen, um ihre Feinde zu schädigen oder zu kontrollieren. Ein Beispiel ist die böse Fee in Dornröschen, die das Kind mit einem Fluch belegt.
  6. Isolation und Einsamkeit: Oft sind böse Figuren isoliert und leben in abgelegenen oder düsteren Orten wie einem dunklen Wald, einem Turm oder einem verwunschenen Schloss. Diese Isolation verstärkt ihre Bedrohlichkeit und Unheimlichkeit.
  7. Unveränderlichkeit: Böse Märchenfiguren ändern sich meist nicht oder nur sehr selten. Sie bleiben starr in ihren bösen Absichten und sind schwer zu besiegen, was sie zu scheinbar unüberwindbaren Hindernissen für die Held*innen macht.

Funktion der bösen Märchenfiguren

Märchen sind keine Texte, die unterhalten wollen. In erster Linie sind sie so ausgelegt, dass sie einen pädagogischen Zweck erfüllen und gewisse Lehren vom Leben vermitteln. Dabei spielt die Gegenüberstellung von Gut und Böse eine entscheidende Rolle, denn sie zeigt uns, was richtig und was falsch ist. Mehr noch: Wir lernen, dass es eine Lösung gibt und dass das Böse seine Strafe bekommt.

Um diese Aussagen zu überbringen, spielt der Einsatz von bösen Märchenfiguren eine entscheidende Rolle. Denn die Bösewichte im Märchen schaffen erst die Konflikte, die die Helden und Heldinnen der Geschichte lösen und überwinden müssen. Somit kommt ihnen folgende Funktion zu:

Böse Märchenfiguren…

  • sind oft Auslöser der Handlung und/oder treiben die Handlung voran.
  • erschaffen Konflikte und Hindernisse, die die Hauptfigur überwinden muss.
  • sorgen dafür, dass die Hauptfigur ihre eigenen Stärken und Werte erkennt.
  • zeigen unerwünschtes Verhalten und negative Charaktereigenschaften.
  • vermitteln moralische Lehren, indem sie in Extremen zeigen, wie man sich nicht verhalten sollte.
  • verdeutlichen, dass es das Böse in der Welt gibt.
  • vermitteln eine hoffnungsvolle Botschaft: Bosheit und Ungerechtigkeit können überwunden werden.

Böse Märchenfiguren sind also nicht nur dazu da, für Spannung zu sorgen, sondern sie erfüllen eine tiefere Funktion, die elementar für die Textsorte Märchen ist: Sie machen die Guten stark, indem sie ihnen die Möglichkeit geben, sich zu beweisen und wichtige Werte wie Mut, Klugheit und Liebe zu entwickeln. Gleichzeitig lassen sich durch sie moralische Lehren vermitteln: Die Bösen werden bestraft, das Gute triumphiert am Ende.

Böse Märchenfiguren im Überblick

  • Vielfältige Rollen: Böse Märchenfiguren wie Hexen, Zauberer, Drachen oder böse Stiefmütter sind oft Verkörperungen von negativen Eigenschaften wie Neid, Eitelkeit, Gier und Rache. Sie spielen eine zentrale Rolle als Gegenspieler*innen der Held*innen in Märchen.
  • Moralische Lehren: Böse Märchenfiguren dienen dazu, moralische Lektionen zu vermitteln. Ihre Niederlage symbolisiert die Überwindung von negativen Eigenschaften und zeigt, dass das Gute am Ende siegt, wenn man mutig, rein und ehrlich ist.
  • Symbolik der Ängste: In vielen Märchen repräsentieren die bösen Figuren die Ängste und Bedrohungen der Gesellschaft oder des Einzelnen. Sie stehen für Gefahren wie Verlust, Zerstörung oder die Versuchung, den moralischen Weg zu verlassen.
  • Verwandlungen und Magie: Häufig sind böse Märchenfiguren in der Lage, sich durch Zauberei oder Magie zu verwandeln. 
  • Furchteinflößende Erscheinung: Die bösen Figuren in Märchen sind oft besonders furchteinflößend oder grotesk in ihrem Aussehen, was ihre Rolle als Bedrohung verstärkt. Ihre Erscheinung ist oft so gestaltet, dass sie bei Leser- oder Zuschauerschaft sofort eine negative Reaktion hervorrufen, z. B. hässliche, deformierte Züge oder unheimliche Kräfte.

Bildnachweis: François Fleury-Richard creator QS:P170,Q2059364, Fleury François Richard – Little Red Riding Hood, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons